Die Auswahl der passenden Ankerkette für eine Segelyacht ist weit mehr als nur die Wahl des richtigen Durchmessers. Im Hintergrund stehen mehrere entscheidende Spezifikationen: der Kettenstandard (DIN 766 oder ISO 4565), die Kettenklasse (G30, G40, G70 und weitere) sowie das Material (verzinkt, Edelstahl, Duplex oder hochfester Stahl). Jede dieser Komponenten beeinflusst Festigkeit, Haltbarkeit, Korrosionsbeständigkeit und – am wichtigsten – wie zuverlässig die Kette mit Ihrer Ankerwinde zusammenarbeitet.
Dieser erweiterte Leitfaden erklärt alle relevanten Faktoren, damit Sie die richtige Ankerkette für Ihre Yacht sicher auswählen können.
DIN vs. ISO: Was diese Standards bedeuten und warum sie wichtig sind
Auf Yachten werden fast ausschließlich kalibrierte Kurzgliedketten verwendet, deren exakte Abmessungen sicherstellen, dass sie sauber durch die Kettennuss der Ankerwinde laufen. Zwei Standards definieren diese Maße:
DIN 766 ist die traditionelle deutsche Norm und in Europa weit verbreitet. ISO 4565 ist eine internationale Norm, die von vielen globalen Herstellern von Ankerwinden verwendet wird. Beide definieren kurzgliedrige Ketten für den Marinebereich, jedoch unterscheiden sich Toleranzen und vor allem die Teilung (Pitch) minimal. Genau diese Unterschiede entscheiden darüber, ob eine Kette sauber läuft – oder ob sie springt, klemmt oder die Kettennuss unnötig stark abnutzt.
Theoretisch wirken die Unterschiede gering, doch an Bord sind sie kritisch. Ankerwinden funktionieren nur dann zuverlässig, wenn jedes einzelne Kettenglied exakt in die Nuss passt. Ist die Teilung zu kurz oder zu lang, läuft die Kette nicht sauber. Daher gilt als wichtigste Grundregel: Die Ankerkette muss immer exakt der Spezifikation der Ankerwinde entsprechen.

DIN und ISO im Vergleich bei den gängigen Yachtgrößen: 6 mm, 8 mm, 10 mm
Die meisten Segelyachten nutzen 6, 8 oder 10 mm Ankerketten – und je größer die Kette, desto deutlicher werden die Unterschiede zwischen den Standards.
6 mm Kette - Die Abmessungen von DIN und ISO sind nahezu identisch (Pitch ca. 18–18,5 mm). Die meisten 6-mm-Kettennüsse akzeptieren beide Varianten.
8 mm Kette - Auch hier sind DIN und ISO weitgehend identisch (Pitch ca. 24 mm). Daher akzeptieren viele 8-mm-Ankerwinden beide Standards. Für Yachten von ca. 30–38 Fuß ist dies die gängigste Größe – und besonders unproblematisch.
10 mm Kette - Hier liegt der kritische Unterschied: DIN 766 Pitch: ca. 28 mm; ISO 4565 Pitch: ca. 30 mm. Diese 2 mm genügen, um den Lauf der Kette in der Nuss erheblich zu beeinträchtigen. Für Yachten von 40–50 Fuß, bei denen 10 mm üblich sind, ist die korrekte Standardwahl absolut entscheidend.
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Kettengröße |
Standard |
Draht-Ø (mm) |
Innere Länge (mm) |
Teilung (mm) |
Hinweise* |
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6 mm |
DIN 766 |
6.0 |
~18.5 |
~18.5 |
Fast identisch zwischen DIN/ISO – für die meisten Kettennüsse austauschbar |
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6 mm |
ISO 4565 |
6.0 |
~18.5 |
~18.5 |
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8 mm |
DIN 766 |
8.0 |
~24.0 |
~24.0 |
Die meisten 8-mm-Kettennüsse akzeptieren beide Standards |
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8 mm |
ISO 4565 |
8.0 |
~24.0 |
~24.0 |
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10 mm |
DIN 766 |
10.0 |
~28.0 |
~28.0 |
Kritischer Unterschied – muss exakt zur Kettennuss passen |
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10 mm |
ISO 4565 |
10.0 |
~30.0 |
~30.0 |
2 mm Unterschied führt zu Fehlpassung in der Kettennuss |
Materialien: verzinkt, Edelstahl und hochfeste Legierungen
Sobald Sie den passenden Standard für Ihre Ankerkette kennen, folgt die Entscheidung für das richtige Material. Die meisten Fahrtensegler wählen feuerverzinkten Stahl, da er ein hervorragendes Verhältnis von Preis, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit bietet. Die Qualität der Verzinkung variiert je nach Hersteller – hochwertige Ankerketten verfügen über dickere Zinkschichten und eine optimierte Oberflächenvorbereitung, was ihre Lebensdauer deutlich verlängert.
Auch Edelstahl-Ankerketten sind weit verbreitet, verhalten sich jedoch anders. Edelstahl AISI 316 bietet eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit und bleibt an Deck sauber und glänzend. Allerdings ist er nicht so fest wie hochfester verzinkter Stahl und anfällig für Spaltkorrosion, insbesondere im Inneren der Kettenglieder. Im Premiumbereich bieten Duplex-Edelstähle wie 2205 höhere Festigkeit sowie eine herausragende Korrosionsbeständigkeit – ein Grund, warum sie auf Performance-Yachten und Superyachten sehr beliebt sind.
Hochfeste legierte Ketten liegen leistungsmäßig zwischen beiden Varianten. Dabei handelt es sich meist um verzinkte Ketten höherer Klassen (G60, G70 und darüber), die ein außergewöhnliches Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht bieten. Besonders attraktiv sind sie für gewichtsoptimierte Bugbereiche. Allerdings kann die hohe Materialhärte die Lebensdauer der Verzinkung verkürzen, und nicht alle hochfesten Ketten sind für Ankerwinden geeignet – nur kalibrierte Ketten funktionieren zuverlässig im maritimen Einsatz.
Kettenklassen verstehen: G30, G40, G70 und darüber hinaus
Der Standard definiert die Abmessungen – die Kettenklasse bestimmt die Festigkeit.
Grad 30 (G30) Traditionelle, weiche Standardkette. Preiswert, aber am schwächsten. Größerer Durchmesser nötig, um hohe Lasten zu erreichen.
Grad 40 (G40) Heute die häufigste Wahl für mittelgroße Yachten. Guter Kompromiss zwischen Preis und Festigkeit, deutlicher Leistungsanstieg gegenüber G30.
Grad 70 (G70) Hochfester, wärmebehandelter Stahl mit erheblich höheren Bruchlasten. Ideal, wenn höhere Festigkeit oder Gewichtsreduzierung gewünscht ist – z. B. bei Performance- oder Blauwassertörns.
G80 und G100 Extreme Festigkeiten, aber oft ungeeignet für Freizeitsyachten (Härte, galvanische Probleme, Windlass-Kompatibilität).
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Durchmesser |
Klasse |
Min. Bruchlast (kN) |
ca. SWL (kg) |
Hinweise* |
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6 mm |
G30 |
~25 kN |
~650 kg |
Traditioneller Baustahl (mild steel) |
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6 mm |
G40 |
~35 kN |
~850 kg |
Gängige Mittelklasse-Option |
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6 mm |
G70 |
~55 kN |
~1400 kg |
Hochfeste Kette, gewichtsreduzierend |
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8 mm |
G30 |
~40 kN |
~1000 kg |
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8 mm |
G40 |
~55 kN |
~1400 kg |
Gängige Spezifikation für Fahrtensegler |
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8 mm |
G70 |
~85 kN |
~2100 kg |
Premium-/High-Performance-Option |
Bruchlast, Arbeitslast und worauf Yachtbesitzer achten sollten
Beim Auswählen einer Ankerkette sind zwei Festigkeitswerte entscheidend: die Bruchlast und die Arbeitslast. Die Bruchlast beschreibt die maximale Kraft, die eine Ankerkette aufnehmen kann, bevor sie versagt. Die Arbeitslast (oder SWL – Safe Working Load) hingegen ist die sichere, alltägliche Belastungsgrenze im normalen Betrieb. Höherwertige Kettenklassen bieten in beiden Bereichen deutlich höhere Werte und ermöglichen es Seglern häufig, denselben Durchmesser mit größerer Sicherheit zu nutzen – oder den Durchmesser zu reduzieren, ohne an Festigkeit einzubüßen, vorausgesetzt, die Kettennuss der Ankerwinde ist kompatibel.
Wie Sie die richtige Ankerkette für Ihre Segelyacht auswählen
Die beste Methode, eine Ankerkette korrekt zu spezifizieren, folgt einer einfachen Reihenfolge. Beginnen Sie bei der Ankerwinde, denn die Kettennuss bestimmt sowohl den Standard als auch den Durchmesser der Kette. Wenn die Kettennuss beispielsweise mit „8 mm DIN“ gekennzeichnet ist, müssen Sie genau diese Spezifikation verwenden. Ist keine Kennzeichnung vorhanden, messen Sie die bestehende Kette oder prüfen Sie die Angaben im Handbuch der Ankerwinde.
Sobald der Standard feststeht, wählen Sie die Kettenklasse, die zu Ihrem Segelstil passt. Für die meisten Fahrtensegler eignen sich beispielsweise 6 mm oder 8 mm G40. Größere Yachten oder Schiffe, die Offshore unterwegs sind, profitieren oft von höherwertigen Optionen wie G70 – besonders dann, wenn eine Gewichtsreduzierung im Bugbereich die Balance oder Performance verbessert.
Abschließend wählen Sie das Material entsprechend Ihren typischen Bedingungen: Verzinkte Ketten sind ideal für die meisten Fahrtenyachten. Edelstahlketten eignen sich für Eigner, die Wert auf minimale Pflege und eine saubere Optik legen. Duplex-Edelstahl oder hochfeste verzinkte Ketten sind für anspruchsvollere Einsatzprofile ideal.
Unabhängig von Material oder Kettenklasse gilt: Die Ankerkette muss kalibriert sein. Nur kalibrierte Ketten garantieren gleichbleibende Maße, die exakt zur Kettennuss passen, und sorgen für einen reibungslosen und sicheren Betrieb.
Zusammenfassung zur Auswahl der richtigen Ankerkette
Bei der Auswahl der passenden Ankerkette geht es um weit mehr als nur den Durchmesser. DIN- und ISO-Standards definieren die Kettengliedmaße – und diese müssen exakt zur Ankerwinde passen. Die Kettenklasse bestimmt die Festigkeit und Leistungsfähigkeit. Das Material beeinflusst Korrosionsschutz, Gewicht und Lebensdauer. Mit einem klaren Verständnis dieser drei Faktoren – Standard, Klasse und Material – können Sie eine Ankerkette wählen, die über viele Jahre hinweg Sicherheit, Zuverlässigkeit und einen zuverlässigen Lauf gewährleistet.
Hilfe bei der Auswahl der richtigen Ankerkette?
Wenn Sie unsicher sind, welcher Standard, welche Kettenklasse oder welches Material für Ihre Yacht am besten geeignet ist, helfen wir Ihnen gerne weiter. Kontaktieren Sie unser technisches Team für eine persönliche Beratung oder ein maßgeschneidertes Angebot.
Wie Sie die richtige Ankerkette wählen: DIN vs. ISO, G30–G70 Kettenklassen sowie verzinkt vs. Edelstahl